Was passiert im Körper?

Die Beschwerden der Urtikaria werden durch eine Aktivierung von Entzündungszellen, den sogenannten Mastzellen, ausgelöst. Mastzellen kommen überall dort besonders häufig vor, wo wir mit unserer Umwelt in unmittelbarem Kontakt stehen, also neben der Haut auch in den Schleimhäuten des Magen-Darm-Traktes und der Atemwege.

verschiedene Formen von Quaddelbildungen

Entstehung von Juckreiz und Quaddeln

Werden Mastzellen aktiviert, d.h. durch einen bestimmten Reiz „geärgert“, schütten sie mehrere Entzündungsstoffe aus, der bekannteste davon ist der Botenstoff Histamin. Durch die Ausschüttung dieses Botenstoffs aus der Mastzelle weiten sich die Blutgefäße und werden durchlässig. Dadurch gelangen die flüssigen Bestandteile des Blutes in das Gewebe und es bilden sich sichtbare Quaddeln an der Hautoberfläche. Durch die Flüssigkeit im Gewebe werden die Blutgefäße abgedrückt, daher erscheinen Quaddeln zunächst weißlich. Die unmittelbar umliegenden Hautpartien erscheinen rötlich und werden in Fachkreisen Relfexerytheme genannt. In der Regel verschwinden Quaddeln innerhalb von 24 Stunden. Bei einigen Patient:innen zeigen sich Quaddeln lediglich an bestimmten Körperpartien, bei anderen bedecken sie beinahe den ganzen Körper. 
Das Histamin reizt darüber hinaus die entsprechenden Rezeptoren an den Nervenenden, die in der Haut liegen und schreien Richtung Gehirn „Juckreeeeiz!“

Welche Symptome treten auf?

Die hohe Zahl von Mastzellen in der Haut und in den Schleimhäuten des menschlichen Körpers ist ein Grund dafür, dass sich die Urtikaria besonders an diesen Stellen bemerkbar macht. Die Aktivierung der Mastzellen in den oberen (äußeren) Haut- und Schleimhautschichten führt zu Quaddeln, die der unteren (tieferen) Hautschichten zu Schwellungen (Angioödemen). Eine Aktivierung der Mastzellen in den Schleimhäuten des Rachens und der Atemwege kann Schluckbeschwerden und Atemnot erzeugen, die der Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes führt zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall. 

Mastzellen in der Zellkultur

Auslöser- und Ursachensuche

Es gibt viele unterschiedliche Ursachen für das Auftreten einer akuten Urtikaria, wie beispielsweise eine Allergie oder ein akuter Infekt. In den allermeisten Fällen ist die Ursache allerdings nicht eindeutig erkennbar. Anders ist das bei der chronischen Urtikaria, die nach heutigem Wissenstand durch Autoantikörper verursacht wird. Antikörper sind Eiweiße, die der Körper ausbildet, um krankmachende Erreger wie Bakterien zu erkennen und unschädlich zu machen. Wenn Antikörper gegen körpereigene Stoffe ausgebildet werden, nennt man sie Autoantikörper. Erkrankungen, die durch Autoantikörper verursacht werden, heißen Autoimmunerkrankungen. Bei der chronischen spontanen Urtikaria sind zwei verschiedene Klassen von Autoantikörpern beschrieben, die krankmachende Effekte haben:

Autoantikörper vom Typ IgE

Das sind zum einen Autoantikörper vom Typ IgE. Diese IgE-Autoantikörper setzen sich auf die Oberfläche von Hautmastzellen und aktivieren diese, wenn der körpereigene Stoff, gegen den sie sich richten, an sie bindet. Bei Patient:innen mit chronischer spontaner Urtikaria, deren IgE gegen körpereigene Stoffe gerichtet ist, spricht man auch davon, dass eine Autoallergie oder eine autoallergische Urtikaria vorliegt.

Autoantikörper vom Typ IgG

Die zweite Klasse von Autoantikörpern, die bei der chronischen Urtikaria eine ursächliche Rolle spielen, sind IgG-Autoantikörper. Diese Autoantikörper sind gegen Mastzellbestandteile gerichtet und aktivieren Mastzellen, wenn sie an diese binden. Man spricht hier auch von einer autoimmunen Urtikaria.

CSU – es gibt unterschiedlichste Ursachen

Man kann leider nicht durch einen Blick auf die Haut oder durch einen einfachen Test feststellen, ob bei Betroffenen mit chronischer spontaner Urtikaria eine autoallergische oder eine autoimmune Urtikaria vorliegt. Außerdem gibt es viele Dinge, die Einfluss auf eine chronische spontane Urtikaria haben, ohne deren Ursache zu sein. Dazu gehören chronische Infekte, eine Intoleranz gegenüber Nahrungsmitteln oder Medikamenten und Stress. Bei manchen Betroffenen führt die Behandlung eines chronischen Infekts, das Meiden bestimmter (z. B. histaminreicher) Nahrungsmittel oder Medikamente oder das Vermeiden von Stress dazu, dass sich die Urtikaria bessert oder sogar ganz verschwindet. 

Induzierbare Urtikariaformen – die Ursache ist klar!

Wieder anders ist es bei der chronischen induzierbaren Urtikaria. Hier sind die Ursachen bisher unklar, dafür aber ist immer klar, was der Auslöser der Beschwerden ist. Betroffene mit einer chronischen induzierbaren Urtikaria kennen meist den Auslöser ihrer Beschwerden sehr genau. Außerdem kann er durch einen einfachen Test leicht bestätigt werden. Bei allen induzierbaren Urtikariaformen führt der jeweils verantwortliche Reiz jedes Mal, wenn er vorliegt, zum Auftreten von Beschwerden

Welche Behandlung ist die richtige?

Bei einer akuten Urtikaria lohnt sich eine ausführliche Durchuntersuchung auf Auslöser in der Regel nicht. Nur wenn der Verdacht besteht, dass die akute Urtikaria allergischer Natur ist, kann es sich lohnen mittels Allergietests weiterführend zu untersuchen. Bei einer chronischen induzierbaren Urtikaria lohnt sich die weiterführende Untersuchung des Auslösers, nicht aber eine Durchuntersuchung auf Ursachen, da diese nicht bekannt sind. Von der Suche nach Auslösern muss die Durchuntersuchung auf Ursachen unterschieden werden. Hierfür ist es sinnvoll, die Beschwerden regelmäßig zu dokumentieren. Neben dem bekannten Urtikariakalender oder -tagebuch eignet sich hierfür die CRUSE© Control App. Die Durchuntersuchung auf Ursachen kann zwar bei schweren und langen Verläufen einer Urtikaria sinnvoll sein, wird heute jedoch deutlich seltener empfohlen und meist später durchgeführt als noch vor wenigen Jahren. Ein Grund dafür ist, dass man heute davon ausgeht, dass die chronische spontane Urtikaria bei den meisten Patient:innen durch Autoantikörper verursacht wird. Gegen diese Autoantikörper kann man heute noch nicht ursächlich vorgehen. Ihr Nachweis führt also nicht dazu, dass anders behandelt werden würde. Mit anderen Worten, es finden sich bei einer solchen Durchuntersuchung kaum Ursachen, die dann durch eine Behandlung beseitigt werden können. Oft ist der Aufwand also hoch und eine Besserung der Beschwerden hält sich in Grenzen. Es ist daher für Patient:innen und deren behandelnden Ärzt:innen zielführender an einer guten symptomatischen Therapie zu arbeiten mit dem Ziel das Aufkommen von Beschwerden zu unterdrücken. Heutzutage gibt es eine Vielzahl gut wirksamer und sicherer Therapien, mit denen sich die chronische spontane Urtikaria zufriedenstellend kontrollieren lässt. Nichtsdestotrotz sollte neben der Therapie die Ursachenerforschung bei schweren und lang andauernden Fällen nicht in Vergessenheit geraten.